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Zum Jahr 1906

Brand des Bootshauses 1906

Berichte aus den Wassersportmagazinen 1906

Wassersport Nr. 13 vom 29. März 1906

27. März, 2 Uhr nachmittags. Der Offenbacher Ruderverein wurde von einem schweren Schlag heimgesucht. Heute Dienstag früh zwischen 3 und 5 Uhr ist sein Bootshaus ein Raub der Flammen geworden und mit seinem wertvollen Inhalt bis auf den letzten Rest vernichtet worden. Ein Haufen Steine, ein paar von den Auslegern herrührende Metall-Überreste sowie verkohltes Holz bezeichnen die Stätte, wo das schöne Haus stand.
Ueber die Entstehung des Feuers wird berichtet, dass am Abend eine Mitglieder-Versammlung stattfand, die sich mit den Vorbereitungen für das neue Ruderjahr befasste. Sie fand gegen 1 Uhr ihr Ende. Wie üblich machte der Kastellan nach Leerung des Hauses seinen Rundgang, um nachzusehen, ob alle elektrischen Lichter gelöscht seien und begab sich dann nach seiner Wohnung im Obergeschoss.
Gegen 3 Uhr machte ihn seine Frau auf den starken Brandgeruch aufmerksam, der aus dem Bootshaus heraufdrang, aus dem auch schon die Flammen emporschlugen. Die Frau rettete sich im Hemd mit ihrem 10 Monat alten Kind die Treppe herunter, der Mann wollte noch ein paar Wertsachen retten, während dieser geringen Verzögerung versperrten ihm die Flammen den Weg, sodass er sich über das Vordach und den Balkon an der Zugleine des Sonnendaches herablassen musste. Im nahegelegenen Fechenheim, wohin sich die Frau flüchtete, ertönte sofort das Nebelhorn der Casella’schen Fabrik, deren Dampfspritze um 3¼ Uhr morgens als erste auf der Brandstätte eintraf, als das gesamte Gebäude bereits in Flammen stand, so dass, trotzdem auch bald die Offenbacher Dampfspritze und die freiwilligen Wehren von Fechenheim und Offenbach eintrafen, sie dem entfesselten Element machtlos gegenüber standen. Gegen 5 Uhr sanken die beiden den Bau flankierenden Ecktürme und rauchende Trümmer bezeichnen nun die Stätte des schönen Baues. Vom gesamten Inventar ist, wie schon erwähnt, nicht das geringste gerettet, unter anderem sind auch Bücher und Archiv, die in einer schweren eisernen Truhe geborgen waren, völlig in Asche gelegt worden.
Gebäude und Inhalt sind durch Versicherung gedeckt, immerhin wird der Verein einen schweren materiellen Schaden erleiden, ganz abgesehen von der Unterbrechung des sportlichen Betriebes gerade zum Begin der Ruderzeit.
Nachdem der Verein sich über so manche Fährlichkeiten mit Tatkraft und Ausdauer hinweggearbeitet, trifft ihn im Augenblick, wo er in jeder Weise gesicherten Verhältnissen entgegensehen konnte, dieser grausame Schicksalsschlag um so schwerer. Möge er auch diesen überwinden und in nicht allzulanger Zeit neues Leben auf den Ruinen seines Heims erblühen.

Wassersport Nr. 14 vom 15. April 1906

Die Offenbacher RG. „Undine“ hat dem Offenbacher Ruder-Verein noch am Tage des Brandes seines Bootshauses ihre herzlichste Teilnahme ausgesprochen und ihm ihr Bootshaus, sowie, soweit dies der eigene Betrieb gestattet, auch ihre Boote zur Verfügung gestellt. Ein Gleiches hat mittlerweile auch der „Hellas“, der ein Rennboot zur Verfügung stellt, sowie der Offenbacher Ruder-Club getan. Infolgedessen ruderten die Mannschaften des Ruder-Vereins, die am Sonntag ihre regelmäßige Uebungen aufnehmen wollten, im Gig-Achter der „Undine“, deren kameradschaftliches Anerbieten mit verdientem Dank annehmend. Von der Regelung der Brandversicherung werden die weiteren Maßnahmen abhängen, welche der Offenbacher Ruder-Verein für die künftige Ausgestaltung seiner Verhältnisse ergreifen wird. Von zahlreichen Vereinen aus allen Teilen Deutschlands sind dem Verein herzliche Beileidsbeuzgungen zugegangen.

Wassersport Nr. 14 vom 15. April 1906

Es unterliegt kaum einem Zweifel mehr, dass die Ursache des Brandes des Rudervereins-Bootshaues in ruchloser Brandstiftung zu suchen ist. Es war nach dem Brande Kurzschluss der elektrischen Leitung des Umkleidezimmers als Entstehungsursache angenommen worden, dies erschien uns wenig wahrscheinlich und wurde deshalb nicht berichtet. Am Donnerstag Mittag wurde der Kastellan des Bootshauses nach mehrstündigen Verhör in Fechenheim verhaftet und am Freitag in das Amtsgerichtsgefängnis in Bergen eingeliefert, da der dringende Verdacht besteht, dass er den Brand angelegt hat. Er sollte am 31. März die Wohnung räumen, nachdem ihm seine Stellung gekündigt war. Er hatte für eine andere Stellung noch nicht gesorgt. Die Angaben, die er über die Wahrnehmung des Feuers und seine Rettung machte, stehen mit den örtlichen Verhältnissen in Widerspruch. Widersprüche weisen auch die Aussagen über seine Wirtschaftlichen Verhältnisse auf und zwar derartige, dass seine Verhaftung verfügt wurde.

Offenbacher Zeitung vom 27. Juni 1906

Der Brand des Bootshauses vor dem Hanauer Schwurgericht

Das Endresultat der Verhandlung gegen den der vorsätzlichen Brandstiftung angeklagten Wirt Friedrich Metzger von Fechenheim haben wir bereits gestern mitgeteilt. Ueber die Zeugenvernehmungen tragen wir noch folgendes nach:
Der zweite Vorsitzende des Offenbacher Rudervereins bekundete, daß das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Verein in den letzten Monaten ein ziemlich ungemütliches geworden war. Metzger machte allerlei Entschädigungsansprüche, die nicht gerechtfertigt waren. Metzger bezahlte keine Miete, sondern mußte 23M für den Hektoliter Bier geben. Die Behauptung des Angeklagten, daß am Abend vorher schon Brandgeruch im Bootshause wahrnehmbar gewesen sei, bestreitet der Zeuge. Der Angeklagte zahlte schließlich kein Bier mehr, sondern ließ es sich von der Kaution abschreiben. Durch eine Vereinbarung wurde bestimmt, daß er das Lokal am 27. März statt am 1. April räumen sollte. In der Nacht vor dem 27. März brach der Brand aus. Metzger hatte gesagt, er habe eine Stelle in Wiesbaden als Hotelbuchhalter, was aber nicht der Fall war. Der Materialienverwalter des Vereins bestreitet, daß der Bootsdiener Priester in dem Umkleideraum geraucht habe. Dieser sei ein sehr starker Raucher, habe aber an dem fraglichen Abend Schränke gestrichen, sodaß er gar nicht rauchen konnte. Auch sei noch die Bemerkung gemacht worden, „der Prieser raucht ja heute abend nicht“.
Er werden hieraus diejenigen Zeugen vernommen, die zuerst am Brandplatze erschienen waren. Als sie ankamen, war der Brand noch auf den hinteren Teil des Gebäudes beschränkt. Der Angeklagte zog vor dem Hause noch seine Schuhe an und war nur mit Hemd, Hose und Strümpfen bekleidet, um die Schultern hatte er eine Kolter geschlungen. Aus dem Fenster der Wohnung hing ein Seil herab und der Angeklagte zeigte jedem der Ankommenden seine zerschundene Hände mit dem Bemerken, er habe sich am Seil herablassen müssen, so habe ihn das Feuer überrascht. Aus dem Umstande, daß das Wohngebäude noch nicht brannte, als die ersten fremden Leute schon da waren, und da der Angeklagte schon unten herumlief, wird geschlossen, daß er Komödie spielte, um den Anschein zu erwecken, als hätte ihn das Feuer vollkommen überrascht. Auf diesbezügliche Vorhalte erklärte er, der intensive Rauch habe ihn den Weg über die Treppe versperrt. Aus dem Wirtschaftsraume wurde von der Feuerwehr noch einiges vom Inventar herausgezogen.
Zeuge Hufnagel von Fechenheim wohnt im ersten Haus von der Brandstelle aus gerechnet. Er wurde durch die Hilferufe der Frau Metzger geweckt und warf ihr auf ihr Bitten ein Paar Schuhe zum Fenster hinaus, die sie ihrem Mann brachte. Als er an der Brandstelle anlangte, lagen u.a. zwei Röcke auf der Erde, von denen der eine brannte. Dem Angeklagten wird vorgehalten, daß er doch den Rock hätte anziehen können und nicht mit der alten Kolter umherlaufen brauchte.
Der Portefeuiller Johannes Pfendt von Offenbach wollte am 1. April die Wirtschaft übernehmen. Er hatte mit dem Angeklagten verabredet, dessen Vorräte zu übernehmen, als er aber am Abend vor seinem Einzug danach fragte, sagte der Angeklagtem er seinen keine Vorräte mehr vorhanden, nur die Gläser und einen Schnapskasten könne er ihm geben. Die letzte Flasche Wein war abends vorher getrunken worden. Der Zeuge teilte dem Angeklagten am Abend des 26. März mit, er werde am nächsten Morgen mit seinem Möbeln kommen; wenn sein Zeug ausgeladen ist, dann könne er das seine ja gleich in denselben Wagen einladen, er habe dann den Auszug billiger. Metzger gab zuerst seine Zustimmung, als aber der Zeuge beim Weggehen sagte, daß er dies bei dem Fuhrmann bestellen wollte, widerrief der Angeklagte seine Zustimmung und sagte, er wisse noch nicht, wie er es mache. – Auf Vorhalt, daß er weder eine Wohnung noch ein Stelle gehabt und er doch am nächsten Morgen ausziehen mußte, erklärte der Angeklagte, er habe eine Wirtschaft in Frankfurt bekommen sollen, jedoch sei es noch nicht soweit gewesen, daß er hätte einziehen können. Er habe deshalb von dem Wagen noch keinen Gebrauch machen können. Diesem Zeugen sowie anderen gegenüber äußerte der Angeklagte nach dem Brande, es sei ihm abends plötzlich das elektrische Licht ausgegangen, vermutlich weil die Sicherung durchgebrannt war. Er habe an dem Abend keine neue Sicherung mehr eingeschraubt und es möge sein, daß durch Kurzschluß an der Leitung nachher das Feuer ausbrach.
Der Baggermeister Herrmann von Offenbach wurde durch den Feuerlärm geweckt. Er setze im Boot über den Main und mußte erst seine vor dem Brandort liegende gefährdete Baggermaschine in Sicherheit bringen, dann beteiligte er sich ebenfalls an den Rettungsarbeiten. Zeuge war noch im Wirtschaftsraum und reichte Stühle heraus. Am anderen Morgen suchte der Zeuge im Main Sandstellen und fand dabei zufällig die Petroliumkanne, 15 Meter vom Bootshaus entfernt. — Mit der Frau des Angeklagten werden die Vermögensverhältnisse durchgesprochen, die keine günstigen gewesen sein können. Sie will auch ihre Schmucksachen von ziemlichen Werte verloren haben. Ueber die Vorgänge in der Brandnacht hat sie verschiedene Angaben gemacht. Ihre heutigen lauten in der Hauptsache dahin, sie habe unangekleidet ihr Kind aus dem Bett gerissen und sei flüchtig gegangen. Ihr Mann habe ihr die Haustür geöffnet und sei dann aber wieder zurück in die Wohnung um wenigstens die Papiere und das Geld zu retten. Sie selbst sei nach Fechenheim gelaufen und habe Lärm geschlagen. Nach der Rückkehr habe ihr Mann zum Fenster herausgesehen und gesagt, daß er nicht mehr die Treppe herab könne. Er habe sich dann am Seil herunter lassen müssen.
Polizeikommissär Stein = Fechenheim gibt über die erste Vernehmung des Angeklagten Auskunft; Sachverständiger Ingenieur Wolsgarten berichtet über den Zustand der elektrischen Anlage des Bootshauses, die völlig intakt gewesen sei. Schornsteinfegermeister Kraft sagt aus, die Schornsteine seien in gutem Zustande gewesen. Vertreter der Brauerei Binding = Frankfurt a.M. berichten über die Uebernahme einer Wirtschaft. Nachdem noch verschiedene Zeugen vernommen, wird die Beweisaufnahme geschlossen und den Geschworenen die einzige, auf vorsätzliche Brandstiftung lautende Schuldfrage vorgelegt.
Der Staatsanwalt, Assessor Weidemann, plädierte in längeren Ausführungen für die Schuldigsprechung des Angeklagten und berührte alle Umstände und Vorgänge, die hierfür sprechen und maßgebend seien. Rechtsanwalt Dr. Stulz — Frankfurt a.M. der Verteidiger des Angeklagten, hob hervor, daß eine Spur von einem Beweise nicht vorhanden ist. Die Kanne sei auch kein Beweis dafür, daß die zur Brandstiftung Benützung gefunden habe. Wenn auch die Verdachtsmomente zur Erhebung der Anklage genügten, so seien sie jedoch noch lange nicht hinreichend für eine Schuldsprechung. Er resumiert nach langen gewandten Ausführungen dahin, die Geschworenen möchten die Schuldfrage verneinen.
Der Angeklagte bekennt sich nochmals als unschuldig, worauf sich die Geschworenen zur Beratung zurückzogen und nach kurzer Zeit ihren Spruch verkündeten, der auf Verneinung der Schuldfrage lautete. Das Gericht sprach auf Grund dieses Wahrspruchs der Geschworenen den Angeklagten frei und hon den Haftbefehl auf.

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