Inhaltsverzeichnis
Brand des Bootshauses 1906
Berichte aus den Offenbacher Zeitungen und den Wassersport-Magazinen
Offenbacher Zeitung – 27.03.1906
Durch eine gewaltige Feuerbrunst ist heute Nacht dass jenseits des Mains auf Fechenheimer Gebiet neben der Fähre gelegene, weithin bekannte Bootshaus des Offenbacher Rudervereins von 1874 völlig zerstört worden. In dem geräumigen, aus Fachwerk mit zwei Fronttürmen errichteten Gebäude befand sich auch ein Restaurant mit Kegelbahn usw.; die Mitte zwischen den Türmen wurde durch die Bootshalle eingenommen. Das Feuer scheint gegen ¾ 3 Uhr entstanden zu sein. Denn einige Herren, die zu Fuß von Frankfurt nach Offenbach zurückkehrten, bemerkten um diese Zeit von Oberrad aus schon den Feuerschein. Um 3 Uhr stand bereits das ganze Gebäude von unten bis oben in Flammen, die turmhoch zum Himmel emporloderten und, durch den sehr lebhaften , eisigen Nordwind angefacht, einen starken Funkenregen über unsere Stadt ergossen; noch in der Waldstraße konnte man die Funken niederfallen sehen. Der Brand scheint in der nordöstlichen Ecke des Gebäude, im Ankleideraum, entstanden zu sein, wie man annimmt, durch Kurzschluss; er verbreitete sich infolge des Sturmwindes so schnell nach vorn, dass der Wirt, Herr Fritz Metzger, in seiner im westlichen Frontturm gelegenen Wohnung völlig davon überrascht wurde. Er hatte noch Zeit, seine Frau mit dem Kinde die Treppe hinabzusteigen; während die Frau in fast unbekleideten Zustande schreckerfüllt nach Fechenheim floh, um Hilfe zu holen, kehrte ihr Gatte nochmals in die Wohnung zurück, um wenigstens die Kassette mitzunehmen. In der Aufregung vermochte er sie aber nicht zu finden und musste sich nun schleunigst, da unterdessen auch die Treppe Feuer gefangen hatte, zum Fenster hinuntergelassen. Die Bewohner von Fechenheim und Offenbach wurden auf den Brand erst aufmerksam, als etwa 20 Minuten nach 3 Uhr das Nebelhorn der Cassellaschen Fabrik begann, seine schaurigen Alarmtöne hören zu lassen. Bald erschienen einige Feuerwehrleute aus Fechenheim, die zu retten suchten, was noch möglich war; leider konnten nur einige Möbel aus dem Vereinszimmer, sowie einige Küchengeräte ins Freie gebracht werden. Ein weiteres Eindringen in das Gebäude verhinderte die furchtbare Glut und die Einsturzgefahr. Um ½ 4 Uhr trafen aus Fechenheim die Cassellasche und die Pflicht- und Freiwillige Feuerwehr mit einer Dampf- und einer Handspritze ein; nach ¾ 4 Uhr folgte auch die Offenbacher Wehr, die erst ziemlich spät alarmiert worden war und den großen Umweg über die Mainbrücke und durch Fechenheim machen musste, mit Dampfspritze und Mannschaftswagen. Von dem Gebäude selbst war nichts mehr zu retten; die Teerdächer, die zahlreichen lackierten Ruderboote, das trockene Fachwerk boten den Flammen eine zu günstige Nahrung. Schauerlich schön war der Anblick der Brandstätte vom diesseitigen Mainufer aus mit dem sich im ruhig dahinfließenden Strom spiegelnden Flammenmeer; der Effekt wurde noch erhöht, als sich der blendend grüne Schein der Magnesiafackeln in die rote Farbenglut mischte. Die Wasserfront des direkt gegenüberlegenen alten Schlosses war taghell erleuchtet. Infolge des Funkenregens fing auch ein Herrn Bh. Klein gehöriges, am nördlichen Mainufer liegendes Baggerschiff Feuer; doch konnte der Brand noch rechtzeitig erstickt werden. Die Offenbacher Feuerwehr kehrte um ¾ 7 Uhr morgens heim, während die Aufräumungsarbeiten durch die Fechenheimer Wehren besorgt wurden. Die Brandstätte bildet einen wüsten Trümmerhaufen; nur die niedrigen Grundmauern sind stehen geblieben. Der Schaden ist groß, obwohl das Gebäude mit etwa 16000M und das Bootsmaterial mit etwa 9000M versichert war. Am schlimmsten aber ist der Wirt betroffen, der nicht versichert war. Im ist fast die gesamte Habe verbrannt. Die zahlreichen wertvollen Siegespreise des Rudervereins waren glücklicherweise nicht im Bootshaus untergebracht und sind dadurch erhalten geblieben.
Wassersport Nr. 13 vom 29. März 1906
27. März, 2 Uhr nachmittags.
Der Offenbacher Ruderverein wurde von einem schweren Schlag heimgesucht. Heute Dienstag früh zwischen 3 und 5 Uhr ist sein Bootshaus ein Raub der Flammen geworden und mit seinem wertvollen Inhalt bis auf den letzten Rest vernichtet worden. Ein Haufen Steine, ein paar von den Auslegern herrührende Metall-Überreste sowie verkohltes Holz bezeichnen die Stätte, wo das schöne Haus stand.
Ueber die Entstehung des Feuers wird berichtet, dass am Abend eine Mitglieder-Versammlung stattfand, die sich mit den Vorbereitungen für das neue Ruderjahr befasste. Sie fand gegen 1 Uhr ihr Ende. Wie üblich machte der Kastellan nach Leerung des Hauses seinen Rundgang, um nachzusehen, ob alle elektrischen Lichter gelöscht seien und begab sich dann nach seiner Wohnung im Obergeschoss.
Gegen 3 Uhr machte ihn seine Frau auf den starken Brandgeruch aufmerksam, der aus dem Bootshaus heraufdrang, aus dem auch schon die Flammen emporschlugen. Die Frau rettete sich im Hemd mit ihrem 10 Monat alten Kind die Treppe herunter, der Mann wollte noch ein paar Wertsachen retten, während dieser geringen Verzögerung versperrten ihm die Flammen den Weg, sodass er sich über das Vordach und den Balkon an der Zugleine des Sonnendaches herablassen musste. Im nahegelegenen Fechenheim, wohin sich die Frau flüchtete, ertönte sofort das Nebelhorn der Casella’schen Fabrik, deren Dampfspritze um 3¼ Uhr morgens als erste auf der Brandstätte eintraf, als das gesamte Gebäude bereits in Flammen stand, so dass, trotzdem auch bald die Offenbacher Dampfspritze und die freiwilligen Wehren von Fechenheim und Offenbach eintrafen, sie dem entfesselten Element machtlos gegenüber standen. Gegen 5 Uhr sanken die beiden den Bau flankierenden Ecktürme und rauchende Trümmer bezeichnen nun die Stätte des schönen Baues. Vom gesamten Inventar ist, wie schon erwähnt, nicht das geringste gerettet, unter anderem sind auch Bücher und Archiv, die in einer schweren eisernen Truhe geborgen waren, völlig in Asche gelegt worden.
Gebäude und Inhalt sind durch Versicherung gedeckt, immerhin wird der Verein einen schweren materiellen Schaden erleiden, ganz abgesehen von der Unterbrechung des sportlichen Betriebes gerade zum Begin der Ruderzeit.
Nachdem der Verein sich über so manche Fährlichkeiten mit Tatkraft und Ausdauer hinweggearbeitet, trifft ihn im Augenblick, wo er in jeder Weise gesicherten Verhältnissen entgegensehen konnte, dieser grausame Schicksalsschlag um so schwerer. Möge er auch diesen überwinden und in nicht allzulanger Zeit neues Leben auf den Ruinen seines Heims erblühen.
Offenbacher Zeitung – 30. März 1906
Unter Verdacht der Brandstiftung ist heute morgen der Pächter der Wirtschaft des am Dienstag niedergebrannten Bootshauses des Rudervereins, Fritz Metzger, verhaftet worden. Gestern weilte die Staatsanwaltschaft an der Brandstätte und unterzog den Wirt, der bekanntlich zum 1. Spril ausziehen wollte, einem eindringlichen Verhör, wobei sich soviele Verdachtsgründe ergaben, dass heute seine Verhaftung in Fechenheim erfolgte.
Offenbacher Zeitung – 31. März 1906
Zu der Verhaftung des Wirtschaftspächters Fritz Metzger können wir noch folgende Einzelheiten mitteilen: Metzger und seine Frau wurden noch in der Brandnacht durch den Polizeikommissar Stein (Fechenheim) verhört, wobei sich Metzger schon durch sein ganzes Wesen verdächtig machte. Vorgestern kam nun der erste Staatsanwalt aus Hanau nach Fechenheim und unterzog Metzger einen 3½ Stündigen Verhör, wobei sich dieser derartig in Widersprüche verwickelte, dass seine sofortige Verhaftung erfolgte. Am gestrigen Morgen wurde er nach Bergen überführt. In erster Linie basiert der Verdacht auf der Tatsache, dass Metzger mit 5000M ganz bedeutend überversichert war und das Gerücht aussprengte, er sei nicht versichert. Einen plausiblen für die Tatsache, dass Metzger um 2¾ Uhr noch nicht zu Bette gegangen war, während die letzten Gäste um 1¼ Uhr das Bootshaus verlassen hatten, vermag Metzger ebenfalls nicht anzugeben. Seine Angabe, er habe mit dem Brande eine Kassette mit 400 bzw. 500M Inhalt verloren, hat sich als unwahr erwiesen. Ebenso die Angabe, er habe eine Stellung außerhalb Frankfurts angenommen. Obwohl Metzger am 31. März ausziehen wollte, kann er auch keine neue Wohnung nachweisen. Die Annahme, der Brand sei durch Kurzschluss entstanden, ist hinfällig, da der Registrierungsapparat des Elektrizitätswerkes den Kurzschluss erst meldete, als der Brand schon wütete. Bereits am Dienstag brachte die Baggermaschine in der Nähe des Bootshauses eine neue Petroleumkanne zum Vorschein, die der Baggerfahrer Hermann ahnungslos mit in seine Wohnung nahm. Sie wurde gestern Morgen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, da sie noch so stark nach Petroleum roch, dass die Annahme berechtigt erscheint, dass sie Metzger erst in der Nacht in den Main geworfen. Die Vorstandsmitglieder des Rudervereins waren bereits gestern Vormittag in Bergen zur Vernehmung, ebenso die Frau, die von der Verhaftung ihres Mannes nichts wusste. – Der Schaden, den der Ruderverein durch das Brandunglück erlitten hat, ist übrigens durch die Versicherung bei weitem nicht gedeckt. – In Offenbach war heute das Gerücht verbreitet, der Wirt Metzger habe sich im Haftlokal in Bergen erhängt. Wie wir erfahren, ist daran nicht wahres.
Offenbacher Zeitung – 3. April 1906
Zum Bootshausbrand
Den eifrigen Bemühungen der Fechenheimer Polizei gelang es, das Geschäft ausfindig zu machen, in dem die Petroleumkanne gekauft wurde; es ist ein größeres Geschäft in der Töngesgasse in Frankfurt. Da die Beschreibung, die der Verkäufer gab, genau auf Metzger geht, so ist die Vermutung begründet, dass der Vereinswirt Metzger selbst die Käufer war. Es wurde festgestellt, dass die Kanne Samstag, den 24. März, gekauft wurde Das Bootshaus brannte Dienstag, den 27. März ab. Die Polizei will auch noch feststellen, wo das Petroleum, das in der Kanne war, gekauft wurde. – Metzger wird in das Untersuchungsgefängnis nach Hanau überführt. – Soeben erfahren wir noch, dass die Fechenheimer Polizei heute Morgen auch die Stelle entdeckt hat, an der die Brandstiftung erfolgt ist. Es war dies im Umkleideraum, wo angeblich Kurzschluss vorgekommen ist. Man fand eine große Anzahl Exemplare der „Offenbacher Zeitung“, die größtenteils verbrannt waren; einige erhaltene Hefte aber rochen auffallend nach Petroleum.
Wassersport Nr. 14 vom 15. April 1906
Die Offenbacher RG. „Undine“ hat dem Offenbacher Ruder-Verein noch am Tage des Brandes seines Bootshauses ihre herzlichste Teilnahme ausgesprochen und ihm ihr Bootshaus, sowie, soweit dies der eigene Betrieb gestattet, auch ihre Boote zur Verfügung gestellt. Ein Gleiches hat mittlerweile auch der „Hellas“, der ein Rennboot zur Verfügung stellt, sowie der Offenbacher Ruder-Club getan. Infolgedessen ruderten die Mannschaften des Ruder-Vereins, die am Sonntag ihre regelmäßige Uebungen aufnehmen wollten, im Gig-Achter der „Undine“, deren kameradschaftliches Anerbieten mit verdientem Dank annehmend. Von der Regelung der Brandversicherung werden die weiteren Maßnahmen abhängen, welche der Offenbacher Ruder-Verein für die künftige Ausgestaltung seiner Verhältnisse ergreifen wird. Von zahlreichen Vereinen aus allen Teilen Deutschlands sind dem Verein herzliche Beileidsbeuzgungen zugegangen.
Wassersport Nr. 14 vom 15. April 1906
Es unterliegt kaum einem Zweifel mehr, dass die Ursache des Brandes des Rudervereins-Bootshaues in ruchloser Brandstiftung zu suchen ist. Es war nach dem Brande Kurzschluss der elektrischen Leitung des Umkleidezimmers als Entstehungsursache angenommen worden, dies erschien uns wenig wahrscheinlich und wurde deshalb nicht berichtet. Am Donnerstag Mittag wurde der Kastellan des Bootshauses nach mehrstündigen Verhör in Fechenheim verhaftet und am Freitag in das Amtsgerichtsgefängnis in Bergen eingeliefert, da der dringende Verdacht besteht, dass er den Brand angelegt hat. Er sollte am 31. März die Wohnung räumen, nachdem ihm seine Stellung gekündigt war. Er hatte für eine andere Stellung noch nicht gesorgt. Die Angaben, die er über die Wahrnehmung des Feuers und seine Rettung machte, stehen mit den örtlichen Verhältnissen in Widerspruch. Widersprüche weisen auch die Aussagen über seine Wirtschaftlichen Verhältnisse auf und zwar derartige, dass seine Verhaftung verfügt wurde.
Offenbacher Zeitung, 26. Juni 1906
Der Brand des Bootshauses des Offenbacher Rudervereins vor dem Hanauer Schwurgericht
Der Brand im Bootshause des Offenbacher Rudervereins bildete gestern und heute Gegenstand der Verhandlung vor dem Hanauer Schwurgericht. Angeklagt der vorsätzlichen Brandstiftung ist der Wirt Metzger von Fechenheim, der im Bootshause die Wirtschaft führte. Ehe er die Wirtschaft im Bootshause übernahm, arbeitete er vier Jahre als Buchhalter in einem Wiesbadener Hotel. In welcher Stellung er sich etwa 1600M gespart haben will. Dieser Umstand spielt bei der Beweisaufnahme eine wichtige Rolle. Am 11. März 1905 übernahm er die Wirtschaft unter der Bedingung, dass für den Hektoliter Bier 23.50M zu zahlen waren, dafür aber seine Miete. Als Kaution musste er 500M hinterlegen. Die Wirtschaft ging den Sommer über ganz gut, im Winter aber schlecht, so dass er schon am 1.Oktober wieder kündigte, zum 1. April. Einige Zeit nach der Kündigung ersuchte er um Erlass der Zahlung für das Bier, sodass die Kaution dafür aufgebraucht werden konnte. Im Februar war diese aufgebraucht, und von da an einigte er sich mit dem Verein auf einen Preis von 21M pro Hektoliter.
Der Angeklagte bewohnte drei kleine Zimmer, konnte also keine allzu umfangreiche Einrichtung haben. Auch war diese nicht besonders kostbar. Trotzdem versicherte er dieselbe im Oktober zu 4770M und außerdem die Vorräte zu 1000M. Als das Bootshaus in der Nacht vom 26. Zum 27. März abbrannte, verwickelte er sich in seinen bzw. mit dem Aussagen seiner Frau in so viele Widersprüche, dass er bald darauf unter dem dringenden Verdacht der Brandstiftung verhaftet wurde. Der Vorsitzende geht die Ermittlungen im Einzelnen mit dem Angeklagten durch. Es ist angenommen worden, dass sich der Angeklagte in finanziellen Nöten befand und die Erlangung der hohen Versicherungssumme der Beweggrund zur Brandstiftung war. Beim Brand will der Angeklagte mehrere Hundertmarkscheine verloren haben, die sich in einer Kiste nebst den Gold- und Silbersachen in seiner Schlafstube befanden. Jedenfalls will er damit dartun, dass er völlig überrascht wurde und nicht einmal diese mehr retten konnte. Von den 1600M, die er sich in Wiesbaden gespart haben will, habe er einen Teil auf der Suche nach er Wirtschaft ausgegeben, einen Teil zur Anschaffung von Wirtschaftsgegenständen verwendet und nach der Zahlung der 500M Kaution noch etwa 600M besessen. Davon will er stets einige hundert Mark im Hause behalten haben. Eine Stellung oder eine Wirtschaft hatte zur Zeit des Brandes, also wenige Tage vor dem Ablauf seiner Kündigungszeit, noch nicht. Auch eine Wohnung hatte er noch nicht definitiv gemietet. Sein Jahresumsatz an Bier betrug etwa 150 Hektoliter. Über seine Vorräte, die er mit 1000M versichert hatte, kann er Angaben nicht machen. Verschiedene Umstände sprechen aber dafür, dass dieselben, die ja ohnehin bei dem geringen Geschäft nicht groß sein konnten, bei Ausbruch des Brandes fast aufgezehrt waren. Dem Nachfolger, der die Vorräte mit übernehmen und käuflich erwerben wollte, sagte er, dass er die letzte Flasche Likör dem Vereinsdiener Priester geschenkt habe und ihm nichts verkaufen könne. Ein Gast wollte einige Tage vorher Wein trinken, bekam aber keinen mit dem Bescheid, dass nur noch eine Flasche im Keller sei.
Die Ursache des Feuers wollte der Angeklagte in einer mangelhaften Beschaffenheit des Schornsteins oder in einem Missstande der elektrischen Leitung suchen. Auch verdächtigte er den Vereinsdiener Priester der Fahrlässigkeit, indem derselbe an dem fraglichen Abend eine Zigarre im Ankleideraum, wo Rauchen verboten ist und auch das Feuer ausbrach. Geraucht haben soll. Er habe dies bemerkt, als er gegen 1 Uhr vom Keller kam. Auch als ihm vorgehalten wurde, dass sämtliche Vorstandsmitglieder an jenem Abend gesehen haben, dass Priester in dem Ankleidezimmer nicht geraucht, bleibt er bei seiner Behauptung. Über die Vorgänge in der Brandnacht gibt der Angeklagtem folgendes an: Am 26. März waren die Vereinsmitglieder wieder einmal in den Lokalitäten. Gegen ½ 2 Uhr wurden die letzten Gäste von dem Vereinsdiener über den Main gefahren. Frau Metzger war schon früher schlafen gegangen. Er selber sei noch unten geblieben, habe Gläser geschwenkt, eine Zigarre geraucht und die Zeitung gelesen. Wie lange er so saß, wisse er nicht mehr. Plötzlich sei ihm eingefallen, dass seine Frau Zahnschmerzen hatte. Er wäre deshalb hinaufgegangen, habe ihr etwas hinaufgebracht und sei dann wieder zur Zeitung zurückgekehrt. So lange aufzubleiben, sei bei ihm die Regel gewesen. Als dann das elektrische Licht ausgegangen, das schon immer schlecht gebrannt, habe er dieses wieder in Ordnung zu bringen versucht und sei dann schlafen gegangen, nachdem er alles abgeschlossen. Oben habe er sich noch längere Zeit mit seiner Frau unterhalten, sich dann ausgezogen, angeblich vollständig, während die Frau aussagte, dass er die Hosen anbehielt, und in Bett gelegt; kaum hatte er sich aber zurückgelegt, als er habe husten müssen und gemerkt habe, dass Rauch im Zimmer war. Die Frau habe sich darauf erhoben und das Fenster geöffnet, worauf ihr ein kolossaler Qualm entgegen gekommen sei.
Vom Vorsitzenden wird der Angeklagte auf das Sonderbare aufmerksam gemacht, dass zu den vorderen Fenstern ein so gewaltiger Qualm hereingekommen sei zu einer Zeit, als es erst im hinteren Teil, im Ankleidezimmer, zu brennen angefangen. Die Frau sei mit dem Kind dann nach unten gegangen, er selbst habe den Kleiderhaken nebst Kleidern und ein Paar Stiefel zum Fenster hinausgeworfen. Seine Frau habe die Tür nicht aufgebracht, weshalb er hinunterging und aufschloss. Da habe er sich erinnert, dass die Kiste mit dem Geld – es seien 3 Hundertmarkscheine und 2 oder 3 Zwanzigmarkscheine gewesen – noch oben im Schlafzimmer war. In der Kiste hätten sich außerdem verschiedene Gold- und Silbersachen usw. befunden. Er habe diese zu retten gesucht, den Treppenflur aber bereits so mit Rauch angefüllte gefunden, dass er nicht mehr ins Schlafzimmer zurück konnte. Eine Erklärung dafür, wie der Rauch den Abgeschlossenen Treppenflur gelangen konnte, während das Feuer erst ganz hinten brannte, hat er nicht. Seine Frau rief nun, so schnell wie möglich herunterzukommen, er habe aber wegen des Rauches nicht mehr die Treppe heruntergekonnt und sei deshalb in die Gesindestube gegangen, habe einen Strick geholt, diesen am Fensterkreuz des Schlafzimmers befestigt und sich dann hinunter gelassen. Am Fenster des Gesindezimmers habe er deshalb nicht den Strick befestigen können, weil Kisten davor gestanden hätte, dabei habe er sich einige Verletzungen an der Hand zugezogen. Mit diesen Verletzungen machte er dann den Leuten gegenüber recht viel Aufsehens, stellte sie auch teilweise direkt als Brandwunden hin. Dieser Strick wurde übrigens außer einem, der ihn an einem anderen Fenster gesehen haben will, von keinem der vielen Zuschauer bemerkt.
Am morgen nach dem Brande wurde bei dem Hause im Main eine neue, sehr große Petroleumkanne gefunden, die nach Petroleum roch. Von dieser Kanne ist festgestellt, dass sie 14 Tage vorher in Frankfurt gekauft wurde von einem Manne, der nach Erinnerung der Geschäftsinhaber dem Angeklagten sehr ähnlich sah, und dass er sie einige Tage vor dem Brande in Offenbach von einem Manne hatte füllen lassen, der mit der Kanne nach dem Maine zuging, also in Richtung des Bootshauses. Der Käufer der Kanne erzählte, dass er eine kleine Kanne zu Hause habe, die 1½ bis 2 Liter fasse, ihm aber zu klein sei. Des Angeklagten Kanne fasst nun zufällig auch 1½ bis 2 Liter, und zufällig wurde diese Kanne gleich nach dem Brande an einsamer Stelle gerade beim Bootshause im Main gefunden.
Der erste Schriftführer des Rudervereins ist einer der letzten gewesen, die sich in jener Nacht haben übersetzen lassen. Er hat dem Diener Priester im Ankleideraum nicht rauchen sehen. Dieser hat Schränke gestrichen. Das Gebäude sei mit 16000M versichert gewesen, die Boote mit 18900M. Dass das elektrische Licht schlecht brannte hat er nie wahrgenommen. Auch von Rauchgeruch habe er nichts wahrgenommen. Der Vorsitzende des Rudervereins, Kaufmann Martin, bestätigt die Angaben des Vorzeugen und schildert den Vereinsdiener als sehr zuverlässig und fleißig. Einen Grund für diesen, das Haus anzuzünden, kann er sich nicht denken. Zeuge Vereinsdiener Priester sagt, dass er für seine Dienstleistungen monatlich 15M und das Überfahren extra bezahlt bekomme. Bis halb 12 Uhr habe er Schränke gestrichen, dann bis 1 Uhr im Gastzimmer gespielt und dabei allerdings eine Zigarre geraucht. Dann hat er die hinteren Räume, auch das Ankleidezimmer abgeschlossen, ist aber nicht mehr in dieses hineingegangen. Den Angeklagten hat er dabei nicht bemerkt, hätte ihn aber, wenn er tatsächlich vom Keller gekommen wäre, bemerken müssen, da der Flur sehr hell erleuchtet war.
Offenbacher Zeitung vom 27. Juni 1906
Der Brand des Bootshauses vor dem Hanauer Schwurgericht
Das Endresultat der Verhandlung gegen den der vorsätzlichen Brandstiftung angeklagten Wirt Friedrich Metzger von Fechenheim haben wir bereits gestern mitgeteilt. Ueber die Zeugenvernehmungen tragen wir noch folgendes nach:
Der zweite Vorsitzende des Offenbacher Rudervereins bekundete, daß das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Verein in den letzten Monaten ein ziemlich ungemütliches geworden war. Metzger machte allerlei Entschädigungsansprüche, die nicht gerechtfertigt waren. Metzger bezahlte keine Miete, sondern mußte 23M für den Hektoliter Bier geben. Die Behauptung des Angeklagten, daß am Abend vorher schon Brandgeruch im Bootshause wahrnehmbar gewesen sei, bestreitet der Zeuge. Der Angeklagte zahlte schließlich kein Bier mehr, sondern ließ es sich von der Kaution abschreiben. Durch eine Vereinbarung wurde bestimmt, daß er das Lokal am 27. März statt am 1. April räumen sollte. In der Nacht vor dem 27. März brach der Brand aus. Metzger hatte gesagt, er habe eine Stelle in Wiesbaden als Hotelbuchhalter, was aber nicht der Fall war.
Der Materialienverwalter des Vereins bestreitet, daß der Bootsdiener Priester in dem Umkleideraum geraucht habe. Dieser sei ein sehr starker Raucher, habe aber an dem fraglichen Abend Schränke gestrichen, sodaß er gar nicht rauchen konnte. Auch sei noch die Bemerkung gemacht worden, „der Prieser raucht ja heute abend nicht“.
Er werden hieraus diejenigen Zeugen vernommen, die zuerst am Brandplatze erschienen waren. Als sie ankamen, war der Brand noch auf den hinteren Teil des Gebäudes beschränkt. Der Angeklagte zog vor dem Hause noch seine Schuhe an und war nur mit Hemd, Hose und Strümpfen bekleidet, um die Schultern hatte er eine Kolter geschlungen. Aus dem Fenster der Wohnung hing ein Seil herab und der Angeklagte zeigte jedem der Ankommenden seine zerschundene Hände mit dem Bemerken, er habe sich am Seil herablassen müssen, so habe ihn das Feuer überrascht. Aus dem Umstande, daß das Wohngebäude noch nicht brannte, als die ersten fremden Leute schon da waren, und da der Angeklagte schon unten herumlief, wird geschlossen, daß er Komödie spielte, um den Anschein zu erwecken, als hätte ihn das Feuer vollkommen überrascht. Auf diesbezügliche Vorhalte erklärte er, der intensive Rauch habe ihn den Weg über die Treppe versperrt. Aus dem Wirtschaftsraume wurde von der Feuerwehr noch einiges vom Inventar herausgezogen.
Zeuge Hufnagel von Fechenheim wohnt im ersten Haus von der Brandstelle aus gerechnet. Er wurde durch die Hilferufe der Frau Metzger geweckt und warf ihr auf ihr Bitten ein Paar Schuhe zum Fenster hinaus, die sie ihrem Mann brachte. Als er an der Brandstelle anlangte, lagen u.a. zwei Röcke auf der Erde, von denen der eine brannte. Dem Angeklagten wird vorgehalten, daß er doch den Rock hätte anziehen können und nicht mit der alten Kolter umherlaufen brauchte.
Der Portefeuiller Johannes Pfendt von Offenbach wollte am 1. April die Wirtschaft übernehmen. Er hatte mit dem Angeklagten verabredet, dessen Vorräte zu übernehmen, als er aber am Abend vor seinem Einzug danach fragte, sagte der Angeklagtem er seinen keine Vorräte mehr vorhanden, nur die Gläser und einen Schnapskasten könne er ihm geben. Die letzte Flasche Wein war abends vorher getrunken worden. Der Zeuge teilte dem Angeklagten am Abend des 26. März mit, er werde am nächsten Morgen mit seinem Möbeln kommen; wenn sein Zeug ausgeladen ist, dann könne er das seine ja gleich in denselben Wagen einladen, er habe dann den Auszug billiger. Metzger gab zuerst seine Zustimmung, als aber der Zeuge beim Weggehen sagte, daß er dies bei dem Fuhrmann bestellen wollte, widerrief der Angeklagte seine Zustimmung und sagte, er wisse noch nicht, wie er es mache. – Auf Vorhalt, daß er weder eine Wohnung noch ein Stelle gehabt und er doch am nächsten Morgen ausziehen mußte, erklärte der Angeklagte, er habe eine Wirtschaft in Frankfurt bekommen sollen, jedoch sei es noch nicht soweit gewesen, daß er hätte einziehen können. Er habe deshalb von dem Wagen noch keinen Gebrauch machen können. Diesem Zeugen sowie anderen gegenüber äußerte der Angeklagte nach dem Brande, es sei ihm abends plötzlich das elektrische Licht ausgegangen, vermutlich weil die Sicherung durchgebrannt war. Er habe an dem Abend keine neue Sicherung mehr eingeschraubt und es möge sein, daß durch Kurzschluß an der Leitung nachher das Feuer ausbrach.
Der Baggermeister Herrmann von Offenbach wurde durch den Feuerlärm geweckt. Er setze im Boot über den Main und mußte erst seine vor dem Brandort liegende gefährdete Baggermaschine in Sicherheit bringen, dann beteiligte er sich ebenfalls an den Rettungsarbeiten. Zeuge war noch im Wirtschaftsraum und reichte Stühle heraus. Am anderen Morgen suchte der Zeuge im Main Sandstellen und fand dabei zufällig die Petroliumkanne, 15 Meter vom Bootshaus entfernt. — Mit der Frau des Angeklagten werden die Vermögensverhältnisse durchgesprochen, die keine günstigen gewesen sein können. Sie will auch ihre Schmucksachen von ziemlichen Werte verloren haben. Ueber die Vorgänge in der Brandnacht hat sie verschiedene Angaben gemacht. Ihre heutigen lauten in der Hauptsache dahin, sie habe unangekleidet ihr Kind aus dem Bett gerissen und sei flüchtig gegangen. Ihr Mann habe ihr die Haustür geöffnet und sei dann aber wieder zurück in die Wohnung um wenigstens die Papiere und das Geld zu retten. Sie selbst sei nach Fechenheim gelaufen und habe Lärm geschlagen. Nach der Rückkehr habe ihr Mann zum Fenster herausgesehen und gesagt, daß er nicht mehr die Treppe herab könne. Er habe sich dann am Seil herunter lassen müssen.
Polizeikommissär Stein = Fechenheim gibt über die erste Vernehmung des Angeklagten Auskunft; Sachverständiger Ingenieur Wolsgarten berichtet über den Zustand der elektrischen Anlage des Bootshauses, die völlig intakt gewesen sei. Schornsteinfegermeister Kraft sagt aus, die Schornsteine seien in gutem Zustande gewesen. Vertreter der Brauerei Binding = Frankfurt a.M. berichten über die Uebernahme einer Wirtschaft. Nachdem noch verschiedene Zeugen vernommen, wird die Beweisaufnahme geschlossen und den Geschworenen die einzige, auf vorsätzliche Brandstiftung lautende Schuldfrage vorgelegt.
Der Staatsanwalt, Assessor Weidemann, plädierte in längeren Ausführungen für die Schuldigsprechung des Angeklagten und berührte alle Umstände und Vorgänge, die hierfür sprechen und maßgebend seien.
Rechtsanwalt Dr. Stulz — Frankfurt a.M. der Verteidiger des Angeklagten, hob hervor, daß eine Spur von einem Beweise nicht vorhanden ist. Die Kanne sei auch kein Beweis dafür, daß die zur Brandstiftung Benützung gefunden habe. Wenn auch die Verdachtsmomente zur Erhebung der Anklage genügten, so seien sie jedoch noch lange nicht hinreichend für eine Schuldsprechung. Er resumiert nach langen gewandten Ausführungen dahin, die Geschworenen möchten die Schuldfrage verneinen.
Der Angeklagte bekennt sich nochmals als unschuldig, worauf sich die Geschworenen zur Beratung zurückzogen und nach kurzer Zeit ihren Spruch verkündeten, der auf Verneinung der Schuldfrage lautete. Das Gericht sprach auf Grund dieses Wahrspruchs der Geschworenen den Angeklagten frei und hon den Haftbefehl auf.